Metallica

72 Seasons

Metallica bleiben auf ihrem elften Studioalbum ein selbstreferentielles Heavy-Metal-Universum. “72 Seasons” ist meist roh, zuweilen sperrig und überlässt James Hetfields Riffmaschinerie das Gewaltmonopol im Soundbild.

80 Minuten voller Metallica-Rotz, der in einer Orgie aus Riffs und schroff vorwärts marschierenden Drumbeats mündet – das hat erstmal das Potenzial, ältere Fans (und sich selbst) in die Zeit und die Ideale der frühen Metallica-80er zurückzubeamen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Thrash und die traditionell clever von Iron Maiden abgeschauten Twin-Gitarren funktionieren auf "72 Seasons" nur noch als Versatzstücke. Etwa, wenn Metallica im Opener eine historisch wichtige Signatur setzen und zum Albumbeginn mit "72 Seasons" brachial und schnell losrennen. Im Abgang brennt der Titelsong ein kleines Melodie-Feuerwerk ab wie 1988, fasst sich aber bei solchen geglückten Selbstzitaten eher kurz.

Auffällig ist, wie reduziert Lars Ulrich auf den zwölf Songs in Erscheinung tritt. Reichlich zackig, aber eben doch maximal simpel treibt er den Rhythmus so vor allem in den Strophen voran. Das hat in dem ebenfalls schnell davonpreschenden "Shadows Follow" einen marschierenden, Rammstein-artigen Schritt, der Hetfields rasche Rechte mit stoischer Einfachheit beantwortet. Hetfield selbst pfeift in seinen Textteilen auf Reime, singt übers Scheitern, das Fallen, das Aufstehen und alle Facetten von innerer Dunkelheit – sicher nicht nur über die für ihn schwierigen vergangenen drei Jahre.

"72 Seasons" ist voll mit neuen, in der Genetik alt klingenden Songs, die vom Ohr mühsam erschlossen werden wollen. Metallica sparen sich aufwändige melodische Interludes und verzichten völlig auf Balladen. Dafür dreht das Album im letzten Drittel noch einmal auf. "Too Far Gone?" versprüht den Esprit eines Budgie-Covers, geizt nicht mit Melodien und gehört in der jüngeren Metallica-Geschichte auf einen Regalboden zusammen mit "Atlas, Rise!". "Room Of Mirrors" macht da weiter, wo das 2014 als 12-Inch-Single verramschte "Lords Of Summer" aufgehört hat, und in "Inamorata" ergeht sich die Band in einem ausgiebigen, elfminütigen Jam. Der ist viel mehr Stream of Consciousness als die architektonischeren gedachten Verwandten "Orion" oder "Suicide & Redemption". Auf dem Papier sind die Arrangements auf "72 Seasons" Prog-tauglich – wenngleich gezimmert aus tiefer gelegten NWOBHM-Riffs.

72 Seasons

Metallica
72 Seasons
Blackened/Universal