Elektrofestivals - Das Beben des Ackers

Die Saison ist gespickt mit Open Airs jedweder Art. Doch neben den großen Namen gibt es eine wachsende, Guerilla-artige Szene von oft spontan organisierten Elektro-Festivals, auf denen sich ein paar Hundert oder Tausend Menschen treffen und zu besten Beats 48 Stunden durchtanzen. Das Festivalplaner-Team hat sich dort einmal umgesehen.

Eigentlich weiß niemand davon, es ist alles so verschwiegen, als handelte es sich um das jährliche Treffen irgendeines Geheimclubs, der jeden nicht dazu Gehörenden außen vor lassen möchte. Dass sich an einem beliebigen Samstag oder Sonntag zwischen April und September dann aber doch 500 oder auch mal 2.000 Gleichgesinnte auf einem Acker vor den Toren Berlins, auf einer Waldlichtung in den grünen Ecken des Ruhrgebiets oder auf einer Brachfläche im Hamburger Hafen treffen, ist eine Folge moderner Mundpropaganda, übertragen und verbreitet über die sozialen Netzwerke. Und so strömen oft bunt angezogene und noch bunter geschminkte, mit putzigen Motto-Schildern versehene Gruppen von Menschen per Bus, Fahrrad oder zu Fuß an einen Ort, den sie sonst wohl niemals besuchen würden – schon weil viele dieser Orte schwer zu erreichen und manchmal noch schwerer zu finden sind.

Fünf Electro-Festivals
mit Guerilla- Charakter

Fusion
25.-28.06.
Lärz, Flugplatz
Tickets € 90 (2015 ausverkauft)
fusion-festival.de

Bachblyten Festival
31.07.-02.08.
Husum, Am Flugplatz
Tickets € 45
bachblyten-festival.com

Seifenblasen Festival
17.-19.07.
Tiste, Herwigshof
Tickets € 60
seifenblasen-festival.de

Plötzlich am Meer
21.-23.08.
Rogowo, PL, Strand
Tickets € 94
ploetzlich.net

Habitat Festival
17.-19.07.
Hohenlockstedt, Flugplatz Hungriger Wolf
Tickets € 50
habitat-festival.de

Einmal angekommen, erlebt man eine interessante Mischung aus Wochenend-Picknick, Sonntags-Spaziergang für Electro-Fans und spontanem Rave auf der Wiese. Wie spontan so etwas zugehen kann, konnte man etwa bereits im Februar dieses Jahres erleben, als der Wetterbericht für einen Samstag in Hamburg schönes Wetter ankündigte und erst am Freitag davor eine unter Eingeweihten viral verbreitete Facebook-Nachricht einen Tanz im Freien ankündigte. Tags darauf standen plötzlich rund 1.500 Menschen auf dem Gelände einer stillgelegten Schiffswerft und rissen zu guten Beats die Arme in die Luft. Häufig macht den Anfang für solch ein Event eine Facebook-Seite. Viele von ihnen sind quasi "nackt"; außer einem Symbol-Profilfoto und vielleicht der Nennung einiger DJ-Namen findet man darauf nur die kryptischen Zahlen eines Längen- und Breitengrads, etwa: 52.520007 | 13.404954. Erst wer diese Daten in ein GPS-fähiges Gerät eingibt, erhält eine Ortsangabe – und damit den Veranstaltungsort eines kleinen Open Airs, das ein paar Freunde mit einem Soundsystem auf die Beine gestellt haben, um ein, zwei oder drei Tage am Stück mit Gleichgesinnten durchzufeiern. Diese Geheimniskrämerei hat durchaus seinen Grund, denn viele dieser Veranstaltungen werden ohne großen Vorlauf oder monatelange Planung situativ und wetterabhängig aus dem Boden gestampft und sind dementsprechend nirgendwo offiziell angemeldet. Und um zu vermeiden, dass ihr Event bereits innerhalb der ersten Stunden von Ordnungshütern gesprengt wird, verlegt man sich auf das Heimliche.

Je nach Region tut das aber gar nicht unbedingt Not: In Hamburg etwa erlebt man des Öfteren, dass bei einem solchen Event irgendwann die Polizei anrückt, sich ein wenig umschaut, dazu mahnt, es mit der Lautstärke nicht zu übertreiben, und wieder abfährt. "Die denken wahrscheinlich: Lieber, die tanzen hier alle das Wochenende durch, als dass sie noch zusätzlich die Reeperbahn verstopfen", meint Christoph Büttner, unter dem Namen C2-Datei ein viel gebuchter DJ für derartige Open Airs. Geld verdient er damit nicht. "Wir machen das alle nur aus Spaß an der Freude. Mit etwas Glück kann man durch den Getränkeverkauf die Miete für die PA refinanzieren, aber davon ab ist das ein reines Nullsummenspiel, schon weil diese Open Airs ja stets umsonst sind."

So wird der bis vor ein paar Jahren weitaus stärker verbreitete "Umsonst & Draußen"-Gedanke mit neuem Leben gefüllt. Und die Elektro-Szene beweist, wie leicht es geht, ohne großen Aufwand ein erinnerungswürdiges Wochenende mit Gleichgesinnten zu verbringen; eine schöne Entwicklung. Dass sich einige dieser ehemaligen Spontan-Open Airs mittlerweile professioneller organisieren und inzwischen zum festen Festival-Kalender gehören, ist nur der nächste Schritt. Denn was dabei bleibt, ist der Grundgedanke "von Fans für Fans". Und das ist schön.