Lieblingsplatte Festival Vol. 2 - Interview mit Veranstalter Miguel Passarge

Im Düsseldorfer Zakk präsentieren im kommenden Dezember wichtige deutsche Bands eines ihrer Alben in voller Länge beim Lieblingsplatte Festival. Nachdem das Konzept im vergangenen Jahr schon so gut aufgegangen war, findet das Festival 2017 schon zum zweiten Mal statt. Warum dieses Live-Erlebnis etwas besonderes ist, und was die Künstler in diesem Jahr besonders interessant macht, darüber haben wir mit Veranstalter Miguel Passarge gesprochen.

Festivalplaner: Das Lieblingsplatte Festival hast du 2016 ins Leben gerufen. Was hat dich dazu inspiriert?

Miguel Passerge Lieblingsplatte FestivalMiguel Passarge: "Mich hat es immer gewundert, dass vor uns niemand auf die Idee gekommen ist. Als Musikfan ist ein Album bis heute das künstlerische Maß aller Dinge, selbst in Zeiten des Musikstreaming und der Playlists. Künstler touren seit einiger Zeit immer wieder mit der ein oder anderen klassischen Platte von ihnen, und so war es für mich eine naheliegende Idee, daraus ein Festivalformat zu machen."

Was macht für dich den besonderen Reiz daran aus, sich bei einem Konzert ganz auf ein einzelnes Album zu konzentrieren?

"Es ist sehr spannend, wie die Künstler auf die Idee reagieren, wenn diese an sie herangetragen wird. Die meisten fühlen sich an ihrer Musikerehre gepackt und halten es für eine besondere Herausforderung, sich einem geschlossenen Werk zu stellen. In der Klassik ist es normal, feste Programme immer wieder zu spielen und neu zu interpretieren. Für die Musiker, die zu uns kommen, ist es ein besonderer Reiz, sich einem alten Werk wieder zu stellen, das sie in der Regel noch nie im Ganzen aufgeführt haben. Diesen Prozess zu erleben und zu verfolgen ist überaus aufregend für mich."

Es heißt, du möchtest "weitere Diskussionsbeiträge zur Definition eines popmusikalischen Kanons" liefern. Nach welchen Kriterien wählst du da die Alben aus?

"Die Auswahl der Alben bleibt natürlich immer subjektiv, aber das ist bei den 500 besten Alben des Rolling Stone oder bei der Cinemathek der Süddeutschen Zeitung ja auch der Fall. Die zu Lieblingsplatte eingeladenen Bands mit ihren Alben sind auf jeden Fall nach bestem Gewissen und eingehender Recherche ausgewählt. Sie sind nicht immer unbedingt meine persönlichen Lieblingsalben. Ich gebe mir Mühe, die Sicht des Publikums, die Perspektive der Künstler selbst und meine kuratorische Sicht in Einklang zu bringen."

Insgesamt sechs Künstler treten beim kommenden Lieblingsplatte Festival auf, ebenso viele Alben werden dann vorgestellt. Kannst du uns an ein paar Beispielen erklären, was diese speziell so besonders macht?

"'Ich-Maschine' von Blumfeld war der Auslöser für die musikalische Bewegung, die später als Hamburger Schule bezeichnet wurde. Für mich selbst war das Album ein Aha-Erlebnis. Als ich es 1992 kaufte, hatte ich vorher noch nie so dringliche und modern-poetische deutschsprachige Rockmusik gehört. 'Blumen und Narzissen' von Andreas Dorau & die Marinas stieß wiederum die musikalische Strömung an, die dann als 'Neue Deutsche Welle' bezeichnet wurde. Andreas Dorau distanzierte sich immer von dieser Musikrichtung und seinem NDW-Hit wider Willen. Nun führt er ihn erstmals seit sehr vielen Jahren überhaupt auf, und das ganze Album sowieso zum ersten Mal am Stück. Das ist schon ein Stück deutsche Popgeschichte, die Andreas auf die Bühne bringen wird."

"Im Gegensatz zu den beiden gerade genannten Alben, ist 'Fenster zum Hof' von Stieber Twins das, was man einen Grower nennt, auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Ich durfte vor zwanzig Jahren das Release-Konzert des Albums im Heidelberger Karlstorbahnhof organisieren, damals waren weder die Stieber Twins ein besonders bekannter Act noch das Album schlug große Wellen. Es wuchs über die Jahre, und erst im Nachhinein wurde klar, wie wichtig der Einfluss von 'Fenster zum Hof' auf mittlerweile mehrere Generationen von HipHop-Künstlern in unserem Land ist. In der aktuellen Ausgabe des Juice wurde es zurecht als das wichtigste deutsche HipHop-Album von 1997 bezeichnet, und die Stieber Twins als wichtigste Künstler in diesem Jahr."

Wie schwer ist dir die Auswahl gefallen? Hast du noch viele Künstler und Alben auf dem Zettel, die du zukünftig im Rahmen des Festivals ins Zakk bringen willst?

"Der Auswahl-Prozess ist natürlich immer intensiv, weil es gilt, möglichst viele eigene und fremde Bewertungen und Kriterien darin einfließen zu lassen. Ich habe eine sehr lange Liste mit weiteren möglichen Acts - welche sich davon in Zukunft für das Festival-Konzept begeistern lassen, ist für mich selbst eine sehr spannende Frage."


Das Lieblingsplatte Festival findet in diesem Jahr vom 9. bis 16. Dezember in Düsseldorf statt. Es setzt sich aus insgesamt sechs einzelnen Konzertveranstaltungen zusammen, die in dieser Woche alle im Zakk stattfinden. Auf dem Plan stehen neben den von Passarge bereits genannten Künstlern Mouse On Mars mit ihrem Album "Iaora Tahiti", Family 5 mit "Resistance" und Flowerpornoes mit der Platte "...red' nicht von Straßen, nicht von Zügen". Eine Übersicht über die Termine und Karten für die einzelnen Veranstaltungen bekommt ihr auf der Webseite des Festivals.

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